Der Katzbacher Kreisarchivpfleger Josef Ederer hielt am 7. 10. 2017 in der Klostermühle in Cham einen Vortrag über das Archivwesen in den Gemeinden.
Beim Treffen der Familienforscher erwies Ederer sich als kompetenter und kurzweiliger Referent. Der Familien- und Heimatforscher befasst sich seit langer Zeit mit der Geschichte seiner Heimat.
Nach der Begrüßung durch Elfriede Dirschedl, der Vorsitzenden des Chamer GFO-Arbeitskreises, umriss Landratsamts-Sachgebietsleiter Reinhold Meier in seinem Grußwort den allgemeinen Aufgabenbereich eines Archivpflegers.
Die Familienforscher nutzen viele verschiedene Quellen, so Ederer, unter anderem viele Archive, angefangen vom Bischöflichen Zentralarchiv Regensburg bis hin zu den Staatsarchiven. Ederer ging es in seinem Referat aber explizit um die verborgenen Schätze in den Gemeindearchiven.
Urkunden (Notariat),
Amtsbücher (Gemeinderatsprotokolle),
Akten, teilweise Sammlungsgut,
Nachlässe (von Forschern oder berühmten Persönlichkeiten der jeweiligen Kommune) sowie Verbands-Schriftgut (Wasserzweckverband und Ähnliche).
Eine wahre Fundgrube für die sogenannte Mikrogeschichte, also für die kleine, lokale Geschichte. Die Ortsjubiläen in den vergangenen Jahren stellen unter Beweis, dass das Interesse an der lokalen Geschichte ungebrochen ist und sogar zunimmt. Jüngstes Beispiel: Die 1000-Jahr-Feier der Stadt Rötz. Gemeinde-Akten sind in der Regel 30 Jahre nach ihrer Entstehung auszusondern und/oder in das Archiv zu überführen. Aufgabe jeder Kommune muss sein, die für den laufenden Dienstbetrieb entbehrlichen, jedoch archivwürdigen Unterlagen dauerhaft zu erhalten. Auch sollte jedes Gemeindearchiv über ein Repertorium, also über ein entsprechendes Findbuch verfügen.
Der Kreisarchivpfleger nannte interessante Daten aus der Geschichte zur Entstehung der Gemeindearchive. Die Überlieferung von gemeindlichen Daten begann relativ spät mit der Einführung der Ruralgemeinden in Altbayern also mit dem Gemeindeedikt von 1818. In den meisten Kommunen ist deshalb „nur“ Material aus dem 19. und 20. Jahrhundert vorhanden. Das bayerische Archivgesetz hingegen entstand erst im Jahr 1989. Also über 170 Jahre nach den Gemeindegründungen.
Bis 1933 konnten im rechtsrheinischen Bayern 780 Gemeindearchive im damaligen Reichsarchiv bzw. von den Kreisarchiven geordnet und 593 hinterlegt werden.
Von 7247 damaligen Gemeinden hatten überhaupt nur 2751, also 31 Prozent die Existenz eines Gemeindearchivs gemeldet. Erklärlich durch das eingeschränkte Archivverständnis der damaligen Zeit, vor allem auf dem flachen Land.
Die ehrenamtliche Archivpflege für kommunale Archive wurde 1938 eingeführt. Noch 1972, also nach der Gebietsreform, befanden sich von 658 bayerischen Kommunalarchiven immer noch Depots in den Staatsarchiven, wo sie aber nicht hingehören. Die bestellten, ehrenamtlichen Archivpfleger sollen die Gemeinden beim Aufbau und bei der Verwaltung der Archive beraten. In jährlich stattfindenden Tagungen werden die Archivpfleger über sämtliche Neuerungen informiert und diskutieren im Staatsarchiv die aktuellen Themen, als Beispiel sei genannt die Archivierung der Unterlagen aus den Schulen.
Des weiteren sollen die Landratsämter den Archivpflegern Gelegenheit bieten, bei Dienstbesprechungen der Bürgermeister des Landkreises allgemeine Fragen des gemeindlichen Archivwesens anzusprechen.
Der ehrenamtliche Archivpfleger kann und darf keine hoheitlichen Kompetenzen gegenüber den Kommunen geltend machen und kann letztlich auch keine noch so notwendigen Maßnahmen erzwingen, sondern nur motivierend und helfend zur Seite stehen. Somit üben die Archivpfleger keinerlei Fachaufsicht über die Gemeindearchive aus, sondern berichten statt dessen dem Landratsamt und dem Staatsarchiv über die aufgefundenen Situationen in den Gemeinden des zu betreuenden Sprengels. Der Sprengel von Ederer umfasst die Altlandkreise Roding und Waldmünchen, also insgesamt 12 Gemeinden
Er stellte weiter heraus, dass die Gemeindearchive in der Eigenverantwortung für ihr Kultur- und Archivgut stehen, Bürgermeister und Gemeinderäte entscheiden in eigener Zuständigkeit über ihr Archivwesen. Früher haben oftmals Bürgermeister die erwachsenen Akten als ihr Privateigentum betrachtet und daher keine Veranlassung gesehen, diese Unterlagen an ihre Nachfolger auszuhändigen. Erst ab den 1960er Jahren habe auf dem Land eine gewisse Professionalisierung der Verwaltung eingesetzt, was sich in den Gemeinderatsprotokollen ab dieser Zeit deutlich widerspiegelt.
Pflichtaufgabe der Gemeinden ist es, für die Archivierung ihrer Unterlagen Sorge zu tragen. Dies kann in Verwaltungsgemeinschaften in einem Verbundarchiv erfolgen. Als Beispiel nannte Ederer dabei Stamsried-Pösing. Ein einfaches Abschieben nicht mehr benötigter alter Akten in einen feuchten, verschmutzten und ungesicherten Abstellraum im Keller oder auf dem Dachboden, zu dem jeder Zutritt hat, ist nicht erlaubt.
Die Archivlandschaft in den Kommunen zeigt sich recht unterschiedlich. Einerseits gibt es vorbildlich geführte und untergebrachte Archive, aber andererseits auch solche, die durch Feuchte und Schimmelbefall extrem gefährdet und dem Verfall preisgegeben sind. Es gibt Gemeinden, die noch nicht einmal über ein Archiv verfügen oder keine Trennung zwischen Altregistratur und Archiv kennen, wie Ederer darstellte. Ein gutes Archiv sollte mindestens einen Magazin- und einen Arbeitsraum aufweisen können. Das wäre der Idealfall für jeden Forscher.
Das Schriftgut ist dann ungünstigen Klimaverhältnissen unterworfen und leidet entsprechend. Sinn wäre die dauerhafte Erhaltung des Schriftgutes für spätere Generationen.
Es sollte deshalb auf geeignetes Raumklima, abschließbare Räume, sachgerechte Lagerung der Archivalien (liegend) und die entsprechende personelle Betreuung geachtet werden. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, säurefreie Verpackungen für die Schriftstücke zu nutzen.Oftmals wurde versäumt, nach der Ordnung und Verzeichnung des Archivs die Bestände durch Zugänge aus der Registratur fortlaufend zu ergänzen und Findbücher fortzuschreiben.
Große Bedeutung komme außerdem dem Brandschutz zu. Ederer erinnerte an den Brand in der Burg Trausnitz in Landshut, der auch für unsere Gegend wichtiges Archivgut komplett vernichtet hat. Schriftgut, das beschädigt wurde, musste sehr kostenintensiv restauriert werden. Schutz und Sicherheit sind wichtig. Das Archivgut sollte abgesperrt und nur für den zuständigen Archivar zugänglich sein.
Eine Selbstbedienung sowohl von Bediensteten als auch von Forschern kann nicht gestattet werden. Und: Generell sollte eine Ausleihe von Schriftgut außer Haus nicht erlaubt werden. In etlichen Gemeinden entstanden deshalb in der jüngsten Vergangenheit Archiv- und Gebührensatzungen. Der Archivpfleger selbst kann keine noch so notwendigen Maßnahmen erzwingen, sondern nur motivierend und helfend zur Seite stehen. Erfahrungsgemäß wird es immer schwieriger, geeignete Archivpfleger zu finden. Im Landkreis Cham sind drei Personen bestellt, Werner Perlinger, Heinz Lautenschlager und Josef Ederer.
Ziel muss es sein, dass gut geordnete und verzeichnete Gemeindearchive als Einrichtung in der Verwaltung, aber auch nach außen bei den Bürgern wahrgenommen werden. Als vorbildliches Beispiel im Landkreis Cham nannte Ederer das Chamer Stadtarchiv unter der Leitung von Herrn Timo Bullemer.
Ederer ging auch auf den Nutzen von Gemeindearchiven ein. Der primäre Nutzen ist die Funktion als Servicestelle für gemeindeeigene Verwaltungsaufgaben, so Ederer, als öffentliche Archive haben sie zudem allen interessierten Bürgern den Zugang zu den Quellen zu ermöglichen. Ein Gemeindearchiv gilt als schriftliches Gedächtnis einer Kommune. Es erfüllt für die Verwaltungen rechtlich-administrative Funktionen. Das Archivgut der Gemeinden stellt eine lokale Überlieferung dar, dessen Verlust keinesfalls durch Staatsarchive kompensiert werden kann, weil die Aktentypen völlig andere sind.
Auch dem einzelnen Bürger können die wichtigen Daten der Archive oftmals wertvolle Hilfe leisten. Es befinden sich darin nämlich Dokumente mit rechtlich relevanten Inhalten wie z. B.
Rechts- u. Besitztitel,
Verpflichtungen wie z. B. Bauunterhaltspflichten,
Grunddienstbarkeiten,
Zahlungsverpflichtungen,
Stiftungen,
Forderungen Dritter usw.
Auch ist die kulturell-historische Funktion absolut nicht zu unterschätzen. Als lokalgeschichtliche Informations- und Dokumentationszentren sind die Gemeindearchive unentbehrlich. Sie versorgen Familien- Haus- und Hofforscher sowie wissenschaftliche Forschungen mit historischen Daten. (Tier- und Obstbaumzählungen) Oftmals sind sie die Grundlage von
Ausstellungen,
Führungen,
Publikationen,
Vorträgen,
Dissertationen usw.
Der primäre Nutzen ist jedoch die Funktion als Servicestelle für gemeindeeigene Verwaltungsaufgaben. Als öffentliche Archive haben sie andererseits allen interessierten Bürgern den Zugang zu den Quellen zu ermöglichen.
Lösungsansätze für die vorgenannten Forderungen an ein Archiv entstehen immer mehr, so im Nachbar-Landkreis Regensburg, wo sich mehrere Gemeinden zusammengeschlossen und zur interkommunalen Zusammenarbeit bereit erklärt haben, die Archive entsprechend zu pflegen.
Entweder bilden Gemeinden eine Zweckvereinbarung oder gründen miteinander einen Verein, sowie z. B. Ilzer Land e. V. in dem seit 2008 neun Gemeinden zusammengeschlossen sind und eine gemeinsame ausgebildete hauptamtliche Archivfachkraft beschäftigen.
Auch im Landkreis Cham bewegt sich in Richtung Archivwesen etliches. Im Vortrag nicht erwähnt wurden die künftigen Archivierungsprobleme der digitalen Welt. Die schnelllebige Veränderung der Betriebssysteme im IT-Bereich schafft immense Probleme, die auf digitalen Medien gespeicherten Akten und Unterlagen langfristig zu erhalten bzw. zu archivieren.
Die Forscher wären natürlich froh, wenn Schriftgut über das Internet zur Verfügung stehen würde, das könnte ihre Arbeit wesentlich erleichtern. In einigen Bereichen ist so etwas bereits Realität. Als Beispiele dafür nannte Ederer abschließend:
Bestände des Historischen Vereins Regensburg
dss Bistums Passau
Pilotprojekt des Staatsarchivs Amberg mit dem Staatsarchiv in Pilsen
© by Josef Ederer Katzbach 33, November 2017